Kapitel 6

Die Technische Hochschule Karlsruhe in der Nachkriegszeit (1945–1967)

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Eiermann-Tisch

Zeichentisch [E1], Entwurf: Egon Eiermann, Hersteller des Gestells: Metallwerkstatt der Abteilung für Architektur an der Fakultät für Bauwesen an der Technischen Hochschule Karlsruhe, ca. 1955, Gestell 112,0 x 80,0 x 62,0 cm, lose Platte 200,0 x 99,7 x 2,6 (bzw. 8,0 mit Verstärkungen) cm, lackiertes Stahlrohr und Leimholzplatte mit Papierbespannung. saai | Archiv für Architektur und Ingenieurbau am KIT, EE_Moe_52. Fotografie: Amadeus Bramsiepe und Jonas Zilius.

Egon Eiermann (1904–1970) gilt als einer der bedeutendsten Architekten der Nachkriegsmoderne. Ab 1947 hatte er eine Professur für Architektur an der Technischen Hochschule Karlsruhe inne. Bekannt wurde er nicht nur durch seine markante Architektur wie zum Beispiel den Neubau zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin (1957–1963) oder das Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestages in Bonn (1965–69). Er schuf auch zahlreiche Möbel, die inzwischen als Klassiker des deutschen Designs gelten. Der berühmte Eiermann-Tisch entstand in einer ersten Version 1953, weil Eiermann für sich selbst einen praktischen Arbeitstisch benötigte. Studierende und Kollegen waren von seinem Design begeistert, und so wurde bald eine kleine Serie der Tische für den individuellen Bedarf in den Werkstätten der Fakultät für Architektur angefertigt. Der ursprüngliche Tisch hatte ein verschweißtes Stahlrohrgestänge, in dessen Rahmen ein Kreuz als Querverstrebung schräg eingesetzt wurde. 1965 kam auf Initiative von Eiermanns Assistent Klaus Brunner eine zerlegbare Version des Tisches hinzu. Auch diese Variante wurde in den Werkstätten vor Ort hergestellt und nicht im Handel vertrieben. Adam Wieland — seit 1963 am Lehrstuhl für Grundlagen der Architektur Leiter der Metallwerkstatt — entwickelte das Design weiter, indem er die Kreuzstrebe in die Senkrechte kippte. Die ursprünglich für Studierende und Fakultätsmitglieder hergestellten Tische sind vielerorts am KIT noch in Benutzung und finden sich in Büros und Werkstätten auf dem Campus. Rechte am Produktnamen Eiermann wurden 1995 von einem Möbelproduzenten erworben. Die in einigen Varianten hergestellten Tische sind mittlerweile zu einem beliebten Artikel gehobener Inneneinrichtung geworden. Mit dem Tisch hat der Name Eiermann eine Bekanntheit behalten, die das heute oft als epochengebunden angesehene bauliche Schaffen des Architekten übertrifft. as

Objektvorschlag

Bis heute dürfte wohl kein Studierender je die KIT Fakultät für Architektur verlassen haben, ohne je an einem »Eiermann« gesessen, gestanden oder gearbeitet zu haben. Noch immer ist er wichtige Grundausstattung für alle Studios in der Fakultät, mit ihren Arbeitsplätzen für die Entwürfe, Übungen, Abschlussarbeiten. Da macht der »Eiermann« dann schon auch ganz schön etwas mit. Auch viele Büros und Seminarräume in den Fachgebieten sind damit ausgestattet. Tagsüber trägt jedes Gestell eine eigene Platte, am Abend — etwa bei Verleihungen oder Verabschiedungen — wurden manchmal auch zwei »Eiermänner« aufrecht mit nur einer Tischplatte darüber zur Getränkebar. Kerstin Bausch

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